leonardo@humtec.rwth-aachen.de

Internationale Zusammenhänge des deutschen Kohleausstieg

kritische Analyse von Eva Winkelhahn

Im Rahmen der Projekt „Leonardo“ Veranstaltungsreihe zu Rohstoffpolitik wurde eine Diskussionsrunde unter der Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Clausen und Prof. Dr. Stefan Böschen durchgeführt. Die Diskussionsgrundlage bildeten drei Vorlesungsvideos, in denen Prof. Clausen und Prof. Böschen Grundlagen zu den Themen Rohstoffe, Bergbau und Rohstoffpolitik erläuterten.

Fest steht, dass die Rohstoffpolitik viele strategische Probleme und politische Herausforderungen birgt. Entscheidungen müssen unter Ungewissheit mit hoher Reichweite in die Zukunft getroffen werden. Ressourcenprobleme sind zeitlos und haben sich in modernen Gesellschaften verändert, da immer mit Knappheit umgegangen werden muss. Es werden Ressourcenstrategien benötigt, um die Knappheit abzuwenden und eine Verfügbarkeit sicherzustellen. Daher werden politische Entscheidungen und ein gemeinsames Arbeiten von Ingenieuren und Geisteswissenschaftlern zum interdisziplinären Lösen von Problemen benötigt.

In der Lehrveranstaltung wurden die Probleme internationaler Abhängigkeiten in der Rohstoffpolitik angesprochen. Im Folgenden wird näher auf die internationalen Zusammenhänge des Kohleausstiegs Deutschlands eingegangen und auf die Gründe weshalb die Stärkung der internationalen politischen Zusammenarbeit so wichtig ist.

Die Bundesregierung hat am 29. Januar 2020 das Kohleausstiegsgesetz beschlossen und am 3. Juli 2020 verabschiedet. Die Leistung der Deutschen Kohlekraftwerke betrug im Jahr 2017 noch 42,5 Gigawatt. Bis 2038 soll diese Leistung auf null reduziert werden. Für die Jahre 2022 und 2030 wurden Zwischenziele zur Reduktion der Leistung definiert.1

Bereits im Jahr 2018 wurde die letzte Tonne Steinkohle in Deutschland gefördert. Die Steinkohle war international nicht wettbewerbsfähig, da Kohlepreise in anderen Ländern sehr viel geringer waren und die Steinkohle in Deutschland subventioniert werden musste.2

Die Braunkohle hingegen ist derzeit noch ein wichtiger fossiler Energierohstoff in Deutschland und kann subventionsfrei gewonnen werden. Die vorhandenen Ressourcen haben lange Reichweiten. Braunkohle wird noch in drei Revieren, dem Rheinischen, Lausitzer und Mitteldeutschen Revier in Tagebauen gefördert. Die Jahresförderung betrug im Jahr 2018 rund 166,3 Millionen Tonnen und war in den letzten Jahren nahezu konstant mit einer leicht abnehmenden Tendenz. Die Braunkohle wird lagerstättennah für Strom- und Fernwärmeerzeugung in Kraftwerken genutzt, daher gibt es in Deutschland keinen internationalen Markt für Braunkohle. Der Braunkohleausstieg ist bereits beschlossen.2 Die Bundesrepublik Deutschland ist derzeit noch weltweit das größte Braunkohlenförderland, gefolgt von China, Russland und den USA, hat aber 2019 gegenüber 2018 die heimische Förderung um 2,9 % verringert.3

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen arbeitet am Institute for Advanced Mining Technologies an der RWTH Aachen. Das Institut beschäftigt sich mit der Forschung, Lehre und dem Transfer für eine sichere, effiziente und verantwortungsvolle Rohstoffgewinnung durch die Automatisierung und Digitalisierung von Bergbaumaschinen und -prozessen. Univ.-Prof. Dr. phil. Dipl.-Ing. Stefan Böschen arbeitet am Lehrstuhl Technik und Gesellschaft an der RWTH Aachen, der sich mit Themenstellungen wie Technikfolgeabschätzungen, der transdisziplinären Wissensproduktion, Wissensdemokratie und dem Wissen für Entscheidungsprozesse auseinandersetzt.

Insgesamt lässt sich für den Ressourcenverbrauch von Kohle in Deutschland ein sinkender Trend erkennen, da der beschlossene Strukturwandel immer weiter voranschreitet. Betrachtet man allerdings den weltweiten Trend, sieht man, dass die Nachfrage nach Kohle insgesamt steigt. Die Kohlenförderung nahm weltweit im Jahr 2018 um 4,1 % gegenüber dem Vorjahr zu. Die Hauptförderländer waren China, gefolgt von Indien, USA, Indonesien, Australien und Russland. Weltweit ist die Steinkohleförderung von 2018 auf 2019 um 2,3 % gestiegen, während sie in Europa um 10,9 % gesunken ist. Vor allem China als größter Förderer hat die Steinkohleförderung weiter gesteigert. Die Hälfte der weltweiten Förderung von Hartkohle wird von China gefördert. Indonesien dominiert mit 30,4 % der Exporte den Hartkohlenweltmarkt.3

Zu der weltweiten Stromerzeugung trug Kohle im Jahr 2019 mit einem Anteil von 36,5 % mehr als jeder andere Energieträger bei. Kohle ist der fossile Energieträger mit den höchsten spezifischen CO2-Emmissionen und den größten globalen Reserven und Ressourcen. Ende 2019 waren globale Kohlereserven in Höhe von 1,077 Gt nachgewiesen. Davon waren 754 Gt Hartkohle und 324 Gt Weichbraunkohle. Die globalen Kohleressourcen sind um ein Vielfaches größer als die Kohlereserven. Reserven und Ressourcen an Hartkohle und Weichbraunkohle können aus geologischer Sicht den Bedarf an Kohle für viele Jahrzehnte decken.4

Wenn der Bedarf gedeckt werden kann und es für Entwicklungs- und Schwellenländer wirtschaftlich sinnvoll ist, steht der weltweite Ausstieg aus der Kohlekraft noch in weiter Ferne. Während Steinkohle nicht mehr in Deutschland gefördert wird, wird sie in anderen Ländern, vor allem in Schwellenländern wie China gefördert, da China durch die enorme wirtschaftliche Entwicklung einen erhöhten Energiebedarf hat. Der Trend ist weiterhin steigend. Für den Klimaschutz ist dies von großem Nachteil. Während einige wenige Länder aus der Kohlekraft aussteigen, fördern andere in immer größer werdenden Mengen Kohle und wirken damit gegen den Fortschritt der anderen Länder. Im Stated Policies Szenario werden Zukunftsszenarien für die Kohlenutzung bewertet. Eine Halbierung des Bedarfes in Europa oder auch Nordamerika werde hiernach insbesondere durch die gesteigerte Förderung in Asien kompensiert und der absolute weltweite Kohlenbedarf wird laut der Studie in den nächsten zwei Jahrzehnten in etwa unverändert bleiben.4

Trotz aller Anstrengungen zum Ausbau von erneuerbaren Energien wird global noch in großem Umfang Kohle genutzt werden. Es stellt sich die Frage, ob ein Ausbau erneuerbarer Energien ausreicht, um den enormen Klimaauswirkungen der steigenden Kohleverstromung global entgegenzuwirken. In Deutschland machen rund 21 % des Primärenergieverbrauches im Jahr 2018 Stein- und Braunkohle aus.2 Erneuerbare Energien sollen bis zum Jahr 2030 auf 65 % des Stromverbrauchs ausgebaut werden. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung der Welt steigt weiter an. Rund 18 % des weltweiten Primärenergieverbrauchs wurden 2018 durch erneuerbare Energien gedeckt, vor allem in klassischen Bereichen regenerativer Energien wie fester Biomasse und Wasserkraft. Der Anteil von Windkraft und Photovoltaik ist trotz des fortschreitenden weltweiten Ausbaus noch gering.4 Für die für regenerative Energien benötigten Stoffe liegen die meisten Abbauwürdigkeiten im ppm-Bereich bezogen auf eine Tonne. Mehr Material muss bewegt werden und mehr Energie muss reingesteckt werden, um den Rohstoff zu gewinnen. Daher muss auch hier abgewogen werden, ob die Energiebilanz für regenerative Energien überhaupt eine Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs darstellt.

Abbauwürdig sind Lagerstätten, deren Abbau wirtschaftlich rentabel ist. In die Beurteilung fließen mehrere Faktoren ein, z.B. der Rohstoffgehalt (in Prozent oder ppm)

Deutschland benötigt derzeit noch Kohle für Kraftwerke und die Stahlindustrie. Mit über 97 % sichern Importe die Versorgung des deutschen Marktes mit Steinkohle.3 Seit dem Ende der deutschen Steinkohleförderung im Jahr 2018 muss Deutschland seinen Bedarf komplett über Importe decken. Deutschland importiert etwas weniger als die Hälfte der Hartkohle aus der russischen Föderation und Europa ist der Hauptabnehmer von russischen Kohleexporten. Die Kohlenförderung wir auch in der Russischen Föderation in den kommenden Jahren weiter anwachsen.4 Also begibt sich Deutschland durch den Kohleausstieg in Importabhängigkeiten, wird allerdings mit fortschreitendem Strukturwandel die Importe verringern. Bereits im Jahr 2018 hat Deutschland seine Steinkohleimporte um fast 10 % verringert.4

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung soll für eben solche Probleme für die Stärkung der internationalen Rohstoffpolitik sorgen, um gemeinsam ökologische Strategien zu entwickeln und nicht gegeneinander zu arbeiten. Eine Maßnahme der Rohstoffstrategie der Bundesregierung ist die Stärkung der Akzeptanz der heimischen Rohstoffversorgung. Ohne Rohstoffe können moderne Industriegesellschaften nicht funktionieren und es muss die Entscheidung getroffen werden, ob eine heimische Förderung nicht vorteilhafter und umweltfreundlicher sein kann als eine Förderung in Entwicklungs- oder Schwellenländern mit geringeren Umwelt- und Sicherheitsmaßnahmen. Darauf bezieht sich auch die Maßnahme der Rohstoffstrategie, die nachhaltige Rohstoffwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern zu unterstützten. Am Beispiel von Kohle ist damit zu erkennen, wie wichtig es ist, die internationale Zusammenarbeit zu stärken.

Wie und wann die Reduktion der Nutzung von fossilen Brennstoffen erreicht werden kann, wenn Schwellenländer die wirtschaftlichen Erfolge über die ökologischen Notwendigkeiten stellen müssen, ist nicht klar. Der Ansatz der Bundesregierung zeigt Handlungsmöglichkeiten auf und ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Lösung von Ressourcenkonflikten ist ein ständiges Abwägen, da es fast nie den einen richtigen Weg gibt. Es müssen Kompromisse und ein Gleichgewicht gefunden werden, sodass Knappheiten vermieden werden können. Um Ressourcenkonflikte zu lösen, gibt es keine einfache Lösung, sondern viele, die durch experimentelles Handeln ausprobiert werden müssen.

Fußnoten

1: BMWI (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) (2021): Kohleausstieg und Strukturwandel. Online verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/kohleausstieg-und-strukturwandel.html. Zugriff: 31.05.2021.

2: BMWI (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) (2021): Kohle. Online verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/kohlepolitik.html. Zugriff: 31.05.2021.

3: BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) (2021): Kohle. Online verfügbar unter: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Kohle/kohle_node.html. Zugriff: 31.05.2021.

4: BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) (2020): BGR Energiestudie 2019 – Daten und Entwicklungen der deutschen und globalen Energieversorgung (23). Hannover. Online verfügbar unter: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/energiestudie_2019.pdf;jsessionid=E7AE242796D6B33AC39F6242518E6575.2_cid331?__blob=publicationFile&v=6. Zugriff: 31.05.2021.

Nach oben scrollen